Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Forschung

  • Promotionsvorhaben: Problemlösen als Schlüsselkompetenz unterrichtlicher Praxis lehren und ausbilden
  • Beschreibung: Die PISA-Befunde greifen das weit erforschte Thema "ProblemlösenW erneut und unter aktuellem Schulweltbezug auf (Klieme, Leutner und Wirth, 2005, S. 7-10). Bruder und Collet (2011) betonen dabei, dass die Förderung der Problemlösekompetenz elementare Aufgabe des Unterrichts sei (2011). Problemlösen als Grundlage der Wissenstheorie und aufgrund der Innensteuerung als Teil des kognitivistischen Lehren und Lernens ist Bestandteil etablierter Lehrbücher der Pädagogischen und Lernpsychologie (Seel, 2003; Wild und Möller, 2015; Mietzel, 2017) wie auch der Schulpädagogik (Kiper, Meyer und Topsch, 2011). In den letzten Jahren sind die Fachdidaktiken zudem zunehmend auf das Problemlösen als Bestandteil und Aufgabe spezifischer Unterrichtsfächer aufmerksam geworden (Zumbach, 2003). Insbesondere im Mathematikunterricht wird Problemlösen als integraler Bestandteil verstanden (Söhling, 2017; Engel, 2018). Im Rahmen der Kompetenzorientierung haben die Begriffe problembasiertes Lernen (PBL) oder problemorientiertes Lernen (POL) Einzug in die Rahmenrichtlinien, Fachlehrpläne und Grundsatzbände der Länder gehalten, die für Lehrkräfte rechtverbindlich und handlungsanweisend für das pädagogische und fachliche Arbeiten sind (z.B. Kultusministerium Sachsen-Anhalt, 2015, S. 8-9, S. 12, S. 15).
    In der Pädagogischen Psychologie gibt es dabei ein klar dokumentiertes Forschungsinteresse, ob und wie sich die Denkleistung bei der Problemlösung fördern lässt (Mietzel. 2017, S. 365). Jonassen (2004, S. 23) betont, dass das Problemlösen das einzig legitime Ziel von Erziehung und Bildung sei. Problemlösen stellt dabei eine wichtige Lernform unterrichtlicher Praxis dar. Es wird dabei meist im Kontext des Unterrichts aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler betrachtet. Hierzu liegen, wie aufgeführt, zahlreiche Untersuchungen und Publikationen vor. Diese bieten Lehrkräften Hilfestellung, wie problemlösendes Lernen induziert und gestaltet werden kann.
    Es ist jedoch auffällig, dass der Prozess des Unterrichtens selbst bis heute noch nicht umfangreich als komplexer Problemlöseprozess unter Zeitdruck beschrieben worden ist. Erste Ansätze, die den Fokus auf die Lehrkräfte verlagern und Möglichkeiten zur Lehrkräfteausbildung erforschen bzw. diskutieren, liefern Hmelo-Silver (2004) und Belland, Glazewski und Richardson (2011).
    Aus diesem Grund widme ich mich im Rahmen meiner Promotion dem Problemlösen als Teil der unterrichtlichen Praxis von Lehrkräften. Denn eine Besonderheit des Lehrberufs ist die in der alltäglichen unterrichtlichen Praxis von den Lehrkräften häufig eingeforderte oder notwendige unmittelbare Reaktion auf das Unterrichtsgeschehen im Allgemeinem und explizite Unterrichtssituationen im Spezifischen. Dies betrifft alle nicht "geskripteten" Inhalte von Unterricht, die nicht a priori entscheidbar sind und komplexe Entscheidungen auf die situativen Bedingungen der Klasse und des einzelnen Individuums hin bedingen. Lehrkräfte müssen während ihrer pädagogischen und unterrichtlichen Arbeit situativ binnen kürzester Zeit reagieren. In der alltäglichen Arbeit im Klassenraum, die darauf abzielt die gesamte Klasse zu koordinieren und fachliche wie pädagogische Ziele zu verfolgen, hat sich hierzu der Begriff Classroom-Management etabliert (Eichhorn, 2013, 2017, Schuster 2017). Ein Beispiel für solche Unterrichtsanteile stellen Unterrichtsstörungen dar. Die daran geknüpften Anforderungen in Situationen unmittelbar zu reagieren sind hochkomplex und lassen sich mit den Anforderungen weniger anderer Berufsgruppen vergleichen. Hierzu gehören z. B. Fluglotsen oder Unfallchirurgen (Camp, Paas, Rikers und van Merriënboer, 2001; Jonassen, 1997; van Meeuven 2013).
    Dabei scheint offensichtlich: Fallanalysen und Unterrichtsreflexion, wie sie auch im Rahmen der Lehramtsausbildung angewendet werden (Pieper, Hauenschild und Schmidt-Thieme, 2014, S. 169-258; Seel und Hanke, 2015, S. 103-111), stellen hierbei eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung dar. Sie werden dem Umstand der unmittelbar notwendigen Handlung unter Zeitdruck in komplexen Situationen nicht ausreichend gerecht. Insbesondere für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst ergibt sich hieraus ein potentielles Problemfeld, da sie nach einer jahrelangen theoretisch geprägten Ausbildung plötzlich in solchen Situationen autonom und unmittelbar Entscheidungen treffen müssen.
    Im Rahmen meines Promotionsvorhaben widme ich mich deshalb dieser faszinierenden und hochkomplexen Besonderheit des Lehrberufs. Zentrale Fragen sind dabei u.a., ob und welche Problemtypen sich im Unterrichtachsalltag manifestieren, wie Lehrkräfte damit umgehen und welche Lösungsstrategien sie anwenden.

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