Michael Janowitz
Arbeitstitel
Prekarisierung der Mobilen Jugendarbeit – eine (auto)ethnographische Organisationsforschung
Abstract
Das (auto)ethnographische Promotionsvorhaben zeichnet nach, wie Professionelle eines Vereins der Mobilen Jugendarbeit (MJA) Prekarisierung organisieren, damit die Funktionsfähigkeit ihres Trägers aufrechterhalten und neo-soziale (Lessenich 2008) Organisationsstrukturen reproduzieren. Prekarisierung wird hier aus einer gouvernementalen und neoinstitutionalistischen Perspektive betrachtet. Das ermöglicht Prekarisierung nicht nur machtanalytisch als ökonomisches Ausbeutungsverhältnis und Disziplinarregime (Dörre 2014) zu betrachten, sondern die komplexen Wechselwirkungen zwischen neo-sozialer Anpassung, Translation (Czarniawska-Joerges und Sevón 1996) und organisationaler Autonomie (Weick 1976) aufzuzeigen. Dabei wird Prekarisierung in ihrer Ambivalenz zwischen Unterwerfung und Ermächtigung (vgl. Butler 2016, 12ff; Lorey 2012, 127ff) in den Blick genommen und sowohl als strukturelle Bedingung (Arbeitsbedingung) als auch als Organisationsprozess fokussiert.
Methodologisch betrachtet, stellt Prekarisierung in diesem organisationsethnographischen Promotionsvorhaben nicht nur einen Untersuchungsgegenstand dar, sondern durch seinen autoethnographischen Zugang auch ein Erzeugungsmittel (Wacquant 2011). Nachdem anfänglich durch eine teilnehmend-beobachtende fokussierte Ethnographie (Knoblauch 2001) die Organisation der prekären Einkommens- und Beschäftigungsverhältnisse in den spezifischen Strukturen des Trägers betrachtet wurden, folgte, durch einen Wechsel zum Mitarbeitenden im Verein, eine autoethnographische Feldphase. In der Position des als Mitarbeiter in der MJA angestellten Beobachters wurden institutionalisierte Organisationsweisen der prekären Einkommens- und Beschäftigungsverhältnisse nicht nur kognitiv beobachtet, sondern auch körperlich und aktiv handelnd erlernt und ausgeführt (vgl. Wacquant 2014, 94ff). Dadurch wurde ein prozedurales und praktisches in den Körper eingeschriebenes Handlungswissen über Prekarisierungsprozesse in der MJA erworben. Dieses wird durch die Hinzunahme von Organisationsszenen (Engel 2011) mit anderen Mitarbeiter*innen kontrastiv verglichen, wodurch ein analytisches Instrumentarium entwickelt wird, das ein vertieftes Verständnis vom Prekarisierungsprozess in der Mobilen Jugendarbeit ermöglicht. Dabei gilt es, sich nach der langen autoethnographischen Phase von drei Jahren durch eine szientifische Reorientierung im Rahmen eines akademischen Beschäftigungsverhältnisses von dieser zu befremden, um das erlernte, implizite und Prekarisierung reproduzierende Handlungswissen auf eine analytische Ebene zu heben.
Mit dieser szientifischen Befremdung geht auch eine Entidentifizierung von der Prekarisierungserfahrung im Feld und zugleich eine Habitustransformation vom sozialpädagogischen Mitarbeiter der MJA zum Wissenschaftlicher einher.
Der (auto)ethnographische Zugang macht es notwendig, sich systematisch mit Fragen der ethnographischen Repräsentation auseinanderzusetzen. Dabei wird einer Tradition gefolgt, in der die Wucht körperlicher Erfahrung (vgl. Wacquant 2011, S. 5) genutzt wird, um die schweigsamen Dimensionen (Hirschauer 2001) der Prekarisierung analytisch in ihrer Bedeutsamkeit für die Reproduktion neo-sozialer Gesellschaftsstrukturen aufzuzeigen. Dazu wird mit literarischen Formen (Koller et al. 2007) des ethnographischen Schreibens experimentiert und dessen Potenzial im Hinblick auf die Repräsentation der schweigsamen Prekarisierungsdimensionen reflektiert.
Literaturverzeichnis
Butler, Judith. 2016. Rethinkung Vulnerability an Resistance. In Vulnerability in resistance, Hrsg. Judith Butler, Zeynep Gambetti und Leticia Sabsay, 12–27. Durham: Duke University Press.
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