Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Habilitationsprojekt

Wissen im Wandel. Bild, Bildung und Lernen Erwachsener in der frühen Neuzeit

Betrachtet man Lernen als lebensbegleitendes Phänomen, d.h. als Merkmal des ‚älter Werdens‘ im Allgemeinen und des alternden Erwachsenen im Besonderen, kann für jeden historischen Zeitraum die Frage gestellt werden, durch welche besonderen Lernerfordernisse und -möglichkeiten, sowie durch welche besonderen Konstellationen der Verhältnisse von Wissensvermittlung und Wissensaneignung er sich auszeichnet. Anders formuliert stellt sich die Frage, durch welche Interaktions- und Kommunikationsmittel, an welchen Orten, in welchen Situationen von welchen Personenkreisen welche Inhalte und Formen gelernt und gelehrt werden.

Das Projekt fragt nach Bildern der frühen Neuzeit – insbesondere des entstehenden Kunstbildes – als Medien an der Schwelle zwischen Bildproduzenten und Bildrezipienten, Bildvermittlung und Bildaneignung, Selbst und Welt. Bilder werden in diesem Zusammenhang als Ausdruck und Mittel der Transformation von Selbst-Weltverhältnissen und damit als Bildungsmedien in den Blick genommen. Im Sinn Max Imdahls vermitteln Bilder die Welt ikonisch, d.h. durch ihr spezifisches Wechselspiel von Inhalt und formaler Gestaltung; insbesondere durch die planimetrische Komposition, die szenische Choreographie und die perspektivische Projektion.

Der Humanismus der Renaissancezeit, die Durchsetzung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern ab 1450 oder der Beginn der Reformation um 1517 werden als charakteristisch für den Beginn der frühen Neuzeit genannt. Sie bringt die kopernikanische Wende, die Entfaltung naturwissenschaftlich-empirischen Denkens und – in Hinblick auf das Bild – einen Bewusstseinswandel, der den Beginn des Zeitalters der „Kunst“ markiert. Dabei prägt die Verbindung von bildender Gestaltung und geometrisch exakter Herstellung nach den Gesetzen der Zentralperspektive das zeitgenössische (Selbst-)Verständnis des Künstlers. Während die Wut der Reformatoren das „alte“ Kultbild trifft, emanzipiert sich das „neue“ Bild nicht nur vom Gottesdienst sondern auch vom (bloßen) Kunsthandwerk (Belting, 2011, 510 f.). Künstler wie Da Vinci oder Dürer sehen sich gleichzeitig als Poeten und Naturwissenschaftler; zeitgenössische Veröffentlichungen, z.B. das 1435 erschienene „De Pittura“ des Humanisten und Mathematikers Alberti, werten die Malerei zu einer Wissenschaft unter den Artes Liberales auf. Der durch die Gesetze der Zentralperspektive disziplinierte Blick des Bildherstellers, kann als Ausdruck eines spezifischen sich herausbildenden Selbst-Welt Verhältnisses interpretiert werden. Im Bild zeigt sich nun auch dem Betrachter die Welt vermittelt durch die mathematisch-exakte, auf die Gesetze der Optik verpflichtete Konstruktion.

Darüber hinaus interessiert die zeitgenössische Darstellung des Lernens und Lehrens Erwachsener im Bild. Das Forschungsinteresse betrifft im Einzelnen (1) Bilder, die eine explizite didaktische Funktion besitzen (z.B. Lehrbuchillustrationen), (2) Bilder die keine explizite didaktische Funktion besitzen, denen aber eine kommunikative Dimension eignet (Kunstwerke, Titelseiten, Illustrationen wissenschaftlicher Veröffentlichungen u.a.) sowie (3) frühneuzeitliche Bilddarstellungen lernender Erwachsener. Daneben sollen die textförmigen Kontexte dieser Bilder Berücksichtigung finden, sowie zeitgenössische bildtheoretische Schriften, die Themen der Bildgestaltung, der bildenden Kunst und der medialen Funktion von Bildern behandeln. Im Fokus stehen neben der Interpretation von Einzelbildern auch implizite und explizite interpiktoriale Wechselwirkungen und Bezugnahmen.

Zum Seitenanfang