Habilitation research project
Erwachsenenbildung und Lernen Erwachsener in der sozial-ökologischen Transformation
Das Thema ‚Erwachsenenbildung in der sozial-ökologischen Transformation‘ lässt verschiedene Auslegungen zu: Es ermöglicht grundsätzlich Fragen danach, ob/wie Erwachsenenbildung Teil der sozial-ökologischen Transformation sei und ob/wie sich gleichzeitig die sozial-ökologische Transformation in der Erwachsenenbildung wiederfinde. Zudem ließe sich fragen, was Erwachsenenbildung genau umreißt (und was nicht). Die folgende Skizze ist der Versuch, diese Offenheit und Auslegungsmöglichkeiten beizubehalten und gleichzeitig den Hintergrund aufzuspannen, vor dem wiederum Detailfragen Relevanz entfalten.
Als zentraler Bezugspunkt für die Fragestellungen und Analysen dient in den Ausführungen die Klimakrise. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Klimakrise weder um eine „zeitlich begrenzten Situation der Unsicherheit“ handelt noch, dass die Klimakrise mit einer Entscheidung beendet wäre (Antony et al. 2016, S. 3; auch: Mergel 2012). Ein Prozessbegriff im Sinne eines Umbruchs von einem zum anderen (Graf 2020) wird in der Betrachtung der Klimakrise vielmehr zu einer entgrenzten, kaum beherrschbaren, fortlaufend andauernden Krisendiagnose hinein in eine offene Zukunft überführt. Im Kontext der Klimakrise wird dabei v. a. auf die Notwendigkeit einer sozial-ökologische Transformation verwiesen.
Neben der Rückbindung an dieses spezifische Verständnis von Transformation verweist die Krisendiagnose auch darauf, „die Verflechtung von uns sterblichen Krittern mit unzähligen Konfigurationen aus Orten, Zeiten, Materien, Bedeutungen“ zu erkennen und anzuerkennen (Haraway 2018, S. 9). Statt des Anthropozäns, dass „dazu neigt, bereits transformative Praktiken zu übersehen und dabei reale Handlungsspielräume unsichtbar zu machen, während allumfassende Lösungen nahegelegt werden, die ihrerseits durch ‚den Menschen‘ eingesetzt werden könnten“ (Hoppe 2022, S. 2), sind es daher Konzepte, die die artenübergreifenden Kollaborationen und Kombinationen zu er-fassen versuchen (z. B. Haraway 2018; Tsing 2018; Bennett 2020), um durch Anders-Denken auch Zukunftsperspektiven in der Klimakrise fernab einer Dystopie anzubieten.
Spätestens mit der Veröffentlichung politischer Programmatiken (z. B. Faure et al. 1972, Botkin et al. 1979) wurden Fragen der ökologischen Krise schon mit Lernanforderungen verbunden und damit auch zu Themen in den erziehungs-/erwachsenenbildungswissenschaftlichen Diskursen. Aus den entsprechenden Anforderungen heraus entwickelten sich in den 1980er Jahren Überlegungen, wie eine organisierte „Umweltbildung“ ausgestaltet werden könnte (Michelsen 1990). Weiterentwicklungen dieses Ansatzes betreffen Überlegungen zum Konzept des globalen Lernens oder zum Konzept ‚Bildung für Nachhaltige Entwicklung‘ (Apel 2010; Uekötter 2018). Eine parallel dazu verlaufende Entwicklung lässt sich im Rahmen der neuen sozialen Bewegungen nachzeichnen, die ökologische Fragen als ungelöste politische Fragen adressierten. Diese ließen in der Erwachsenenbildung die Entwicklung einer „‚alternativen Erwachsenenbildung‘“ (Hufer 2016) entstehen. Als ein kontextübergreifendes Phänomen durchdringt die Klimakrise jedoch alle Lebensbereiche und kann aufgrund der „dynamischen Entwicklungen durch das Zusammenspiel mit anderen Entwicklungen“ nicht von Einzelnen gelöst werden, vielmehr entfaltet Wissen von einer Vielzahl an Akteur*innen aus verschiedenen sozialen Kontexten und mit unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen Relevanz. Es braucht demnach eine Differenzierung mit Blick auf Praktiken und Verstrickungen in der Klimakrise, um unterschiedliche Wissenskontexte deutlicher aufeinander zu beziehen und einen offenen empirischen Blick auf die Pluralität des Lernens zu erhalten.
Antony, A., Sebald, G. & Adloff, F. (2016). Handlungs- und Interaktionskrisen. Österreich Z Soziol, (41), 1–15. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/s11614-016-0209-7 [08.03.2022].
Apel, H. (2010). Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. EEO Enzyklopädie Erziehungswissenschaft online.
Bennett, J. (2020). Lebhafte Materie. Eine politische Ökologie der Dinge. Matthes & Seitz.
Botkin, J. W., Elmandjra, M. & Malitza, M. (1979). Das menschliche Dilemma. Zukunft und Lernen, hrsg. u. eingeleitet von Aurelio Peccei. Molden
Faure, E., Herrera, F., Kaddoura, A.-R., Lopes, H., Petrovsky, A. V., Rahnema, M. & Ward, F. C. (1972). Learning to be: the world of education today and tomorrow. UNESCO.
Graf, R. (2020). Zwischen Handlungsmotivation und Ohnmachtserfahrung – Der Wandel des Krisenbegriffs im 20. Jahrhundert. In F. Bösch, N. Deitelhoff & S. Kroll (Hrsg.), Handbuch Krisenforschung (S. 17-38). Springer VS.
Haraway, D. J. (2018). Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän. Campus.
Hoppe, K. (2022). Das Anthropozän kompostieren: Speziesübergreifende Verwandtschaft und sozial-ökologische Transformation. INSERT. Artistic Practices as Cultural Inquiries, (2), 1–15.
Hufer, K.-P. (2016). Politische Erwachsenenbildung – zur Geschichte ihrer Ideen und Konjunkturen nach 1945. In K.-P. Hufer & D. Lange (Hrsg.), Handbuch politischer Erwachsenenbildung (S. 33–42). Wochenschau-Verlag.
Mergel, T. (2012). Krisen verstehen. Historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen. Campus.
Michelsen, G. (1990). Von der „Umweltbildung“ zur „Ökologischen Kompetenz“. REPORT Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung, (26), 45–56.
Tsing, A. L. (2018). Der Pilz am Ende der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus. Matthes & Seitz.
Uekötter, F. (2018). Wie bildet man für Nachhaltigkeit, wenn niemand mehr weiß, was Nachhaltigkeit ist? Eine historisch-politische Spurensuche. Hessische Blätter für Volksbildung, (2), 111–118.